Vor einiger Zeit berichtete ich in einer Sendung über ein kleines abgelegenes Dorf namens Smangus, das weit abgelegen in den Bergen östlich von der Industriestadt Hsinchu liegt. Das Dorf und seine Einwohner, Mitglieder des Ureinwohnerstammes der Atayal, wurden erst 1980 an das Stromnetzwerk angeschlossen und bekamen erst vor etwa 15 Jahren eine kleine Zufahrtsstrasse. Diese Tatsache und die darauf folgenden Lebensbedinungen in der Vergangenheit und heutzutage sind selber ebenfalls sehr interessant. Doch besondere Berühmtheit hat das Dorf durch eine Gruppe von Riesenzypressen erlangt, die über 2000 Jahre alt sind. Nachdem ich wie gesagt über dieses Dorf, seine Einwohner und die Riesenzypressen berichtet hatte, wollte ich selber einmal sehen, ob das Leben dort wirklich noch so ist, wie man sich das erzählt und insbesondere wollte ich die berühmten Riesenzypressen mit eigenen Augen sehen. Und so machte ich mich mit Frau und Schwager auf, ein Wochenende in Smangus zu verbringen. Über das Dorf selber, seine Vergangenheit und seine derzeitige Situation, werde ich in einem nachfolgendem Blogeintrag schreiben. In diesem Eintrag soll es um die Wanderung vom Dorf zu den Riesenzypressen und natürlich den Riesenzypressen gehen.
Der Eingang zum Wanderpfad.
Wir brachen nach einem traditionellen Frühstück (allerdings nicht traditionell Atayal, sondern chinesisch) bestehend aus flüssigem Reis, Trockenfleisch und einigem Gemüse in aller Frühe vom Dorf Smangus auf. Na gut, es war schon 8 Uhr, aber für einen Sonntag doch relativ früh. Nach einigen Minuten gelangten wir an einen Wegweiser, der auf den Beginn des Pfades zu den Riesenzypressen hinwies, und nach kurzer Zeit waren wir schon im Wald.
Zunächst ging es durch dichte Bambuswälder, die einen an den Film „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ (臥虎藏龍), erinnerten. In diesem Kampfkunst-Drama aus dem Jahr 2000, das insbesondere in den USA und auch Europa sehr erfolgreich war, gibt es einige Kampfszenen, in denen die Helden nicht nur in Bambuswäldern kämpfen, sondern
sIlon lässt sich vom Film "Crouching Tiger, Hidden Dragon" inspirieren.
leichtfüssig durch die Gipfel fliegen und springen. So leichtfüssig ging es bei uns leider nicht, sondern wir mussten ganz normal weitermarschieren.
Es ging dann weiter durch Mischwälder, in denen eine Vielzahl von (Hartholz)bäumen und Nadelbäumen nebeneinander standen. Es gibt in Taiwan, was ja lediglich etwa so groß ist wie Baden-Würtemberg, eine viel höhere Zahl von Baumsorten als in Europa. Während es beispielsweise in Deutschland gerade mal eine Handvoll wirtschaftlich bedeutender Baumarten gibt, gibt es davon in Taiwan um die 100 Arten. Und das fiel mir auch wieder bei dieser Wanderung auf, obwohl ich mich mit Bäumen gar nicht auskenne. Doch
Aussichtsterrasse und Toilette, vollständig aus Holz gebaut
diese Vielfalt fällt einem auch als Laien auf. Wir wanderten etwas mehr als zwei Stunden an kleinen Bächen, tiefen Schluchten und hohen Berggipfel vorbei, wobei viel Zeit mit Fotografieren verbracht wurde. Die Mischung aus neuen Kamera und wirklich malerischer Landschaft brachte uns immer wieder dazu, anzuhalten und auf den Auslöser zu drücken. Schliesslich kamen wir an eine Aussichtsterrasse aus Holz, die gleichzeitig mehrere Toiletten integriert hatte. Diese war erst im vergangenen Jahr fertiggestellt worden, so dass man sagen kann, dass wir einen guten Zeitpunkt gewählt hatten, nach Smangus zu kommen.
Ilon vor "Riesenbaum Nr. 7". Kann mich jemand sehen?
Die Wandergruppe, müde aber glücklich und beeindruckt
Erleichtert ging es auf den letzten knapp einen Kilometer, bis endlich der erste „Riesenbaum“ vor uns auftauchte. Die Einwohner von Smangus, die diese kleine Ansammlung von Bäumen vor einigen Jahren entdeckt hatten, haben die Riesenzypressen JuMu (巨木) genannt, was soviel wie Riesenbaum oder Riesenholz bedeutet. Als wir endlich die ersten Riesenzypressen vor uns auftauchen sahen, war es wirklich unglaublich beeindruckend. Insgesamt sind neun Bäume als Riesenbaum ausgezeichnet, die man einen nach dem anderen auf einem kleinen Rundgang abgehen kann. Dabei ist jeder Baum von einem Holzzaun umgeben und geschützt. Wir gingen natürlich alle Bäume ab, und da uns der Blick für die tatsächliche Höhe der Bäume und den Durchmesser fehlte, konnten wir einfach nur sagen: „unglaublich hoch und unglaublich dick“. Insbesondere wenn man eine Person direkt neben den Baum stellte, konnte man einfach nur staunen. Wie gesagt, war dieser Platz sehr versteckt und erst vor einigen Jahren von den in Smangus lebenden Atayal entdeckt worden. Schon das gab diesem Ort einen Hauch des Geheimnisvollen, doch noch dramatischer erschien dieser Platz, als wir eine Holztafel fanden, die eine Geschichte aus der Zeit der japanischen Kolonialzeit erzählte. Man hatte im Nachhinein nämlich herausgefunden, dass die Atayal dieser Region ihre Frauen und Kinder während der Kämpfe gegen die japanischen Besatzer hier im Schatten der Riesenzypressen versteckt hatten. Ein überaus beeindruckendes Erlebnis, das es die insgesamt etwa fünfstündige Wanderung (wir mussten ja noch mal gut zwei Stunden zurück wandern) wirklich wert machte. Erwähnenswert vielleicht noch die Ruhe, die wir beim Wandern hatten, was sonst wirklich selten in Taiwan ist. Man sagte mir, dass maximal etwa 200 Touristen am Wochenende nach Smangus kommen und diese verstreuen sich doch ganz gut. So sind wir nur hin und wieder ein anderen Wandergruppe begegnet, ansonsten konnten wir ungestört dem Plätschern der Bäche und dem Zwitschern der Vögel lauschen. Zum Abschluss noch ein paar Fakten zu den Riesenzypressen. Tatsächlich handelt es sich bei diesen Bäumen korrekt gesagt, um Scheinzypressen. Was mir bei der Wanderung vollkommen entfallen war. Die Scheinzypressen (Chamaecyparis) gehören zu der Familie der Zypressengewächse (Cupressaceae) und sind den „echten“ Zypressen (Cupressus) sehr ähnlich. Die Unterschiede, Ähnlichkeiten usw. sollte ich einem Experten überlassen, daher hier nur noch ein paar Informationen zu den Scheinzypressen. Es gibt wohl etwa sechs Arten – ich sage „etwa“ weil ich auch fünf und sieben gehört habe – auf der ganzen Welt, davon zwei in Taiwan. Zum einen die „Chamaecyparis taiwanensis“ oder auf Chinesisch 臺灣扁柏 (tái wān biǎn bǎ) und die „Chamaecyparis formonensis“, auf Chinesisch 紅檜/红桧 (hong kuai). Und bei den Riesenzypressen, die wir hier in der Nähe von Smangus gesehen haben, handelt es sich um die „Chamaecyparis formonensis“ (紅檜/红桧/(hong kuai). Diese werden so um die 55-60 Meter hoch und können einen Durchmesser von um die 7 Meter erreichen.
Von Ilon Huang
Eindrücke von der Wanderung
Eine Bambussprosse
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